Frühlingsritual 2012

 

Mein Frühlingsritual beginnt eigentlich schon im Winter. Damit dass ich Früchte, Nüsse, Zweige und was sich sonst noch so im Winter ansammelt, nicht gleich weggebe oder auf den Müll verbanne. Ich sammle gerne und ehre die Sammlerin in mir mit vielerlei Kenntnissen über Gewürze und Kräuter, über Wachstum und Verwendung der Pflanzenarten in meinem Umfeld.

 

Wenn die alte Bärin also aus ihrem Winterschlaf erwacht, hat sie bestimmt noch irgendwo ein Rest des letzten Jahres vergraben. Frühlingsbeginn heisst für mich soviel wie, Aufräumen, Aussortieren, Abwägen was ich noch brauchen werde, was ich damit tun will, um dann aus meiner Höhle in die Natur zu stapfen und dort wieder neue Bekanntschaften schliessen zu können.

 

Es ist also Frühling, ich stehe noch vor der Sonne auf, lege meine alte Haut (meine Kleider) ab und salbe meinen vom Winter blassen Körper mit Öl und Körperlotion von oben bis unten ein. Meine Füsse bekommen noch ein wenig mehr Aufmerksamkeit, denn sie werden mich auch dieses Jahr wieder tragen und dafür danke ich ihnen mit einer Fussmassage.

 

Nach einem Blick in den Kühlschrank. Leer. Wie könnte es auch anders sein im Frühling. Spüre ich die Kälte des Winters noch einmal. Also schmeisse ich den TV an und lege eine DVD ein. Sie heisst Poweryoga, beinhaltet den Sonnengruss und viele gute Übungen die mir im Winter geholfen haben, mein Blut nicht einfrieren sondern fliessen zu lassen.

 

Die Sonne ist zwar immer noch nicht zu sehen, als ich ein wenig erschöpft, aber wohlig warm den Sonnengrusszyklus beende indem ich die Kerze vor meinem TV ausblase. Egal, ich schlüpfe in meine Schuhe und nehme meinen Beutel mit. Ich möchte meine Freunde besuchen. Das Schlüsselblümchen, den Waldmeister, den Bärlauch und das Brennesselkraut, und und natürlich, den zuverlässigsten aller Frühlingsboten, den Löwenzahn.

 

Im Wald angekommen, ist es nun hell. Die Sonne blinzelt hinter dem Hohenklingen hervor und scheint mir wohlgesinnt. Ich gehe also den Weg des Fitnessparcours ab und beobachte dabei nicht nur mein Körperbefinden (es tut gut frische Luft zu atmen ohne dabei Eiskristalle im Hals zu spüren), sondern betrachte aufmerksam die Wegränder und was da so alles zaghaft oder voller Erwartung an den Sonnenschein ans Licht möchte. Und da sind auch schon die ersten Huftlattichblüten, die mir raten nicht allzu leichtfertig die warmen Kleider in die Rumpelkammer zu verstauen, ein Husten ist unangenehm und eben diesen können diese kleinen gelben Blumen heilen. Ein Stück weiter begegne ich eine alten Vertrauten aus meiner Kindheit, dem Buschwindröschen. Wozu dieses Blümchen in der Medizin gebraucht würde, weiss ich bis heute nicht. Es bringt mich aber immer wieder zum lachen, wenn ich eines von ihnen im Mund zerkaue und bemerke, dass es wieder einmal ganz anders schmeckt als das letzte mal. Heute schmeckt es nach Fisch, wie seltsam.

Als ich schon wieder auf dem Rückweg bin sehe ich endlich, jenen Freund den ich so sehr vermisst habe, die Brennesel. Sie ist noch klein und sieht harmlos aus, und doch als ich eines ihrer Blättchen zwischen die Finger nehme, bekomme ich ihre ganze Kraft zu spüren. Ein bemerkenswertes Pflänzchen, so wiederstandsfähig, so anspruchslos, so gesund! Wie zur Bestätigung, das es nun tatsächlich Zeit wird, den Beutel mit frischem Grün zu füllen, steht da ganz unverhofft der Bärlauch vor mir. Nur drei Blätter strecken sich zum Himmel, diese rufen mir aber förmlich zu, „komm, du weisst wo du mich findest, es ist Frühling und Zeit, dass wir deine Wohnung mit dem uns eigenen Geruch nach Knoblauch ausfüllen!

 

Ja, und dann steh ich vor dem Wald blicke auf den Rhein hinunter, wie es wahrscheinlich schon die alten Römer in längst vergessenen Zeiten getan haben und denke mir, wie schön es doch ist zu leben. Ein Rascheln im Laub holt mich wieder ins Jetzt zurück. Wer war das? Eine Amsel vielleicht, der Bote zwischen den Welten. Nein. Eine Eidechse, jetzt schon? Nein. Ich bleibe still stehen und da Raschelt es wieder und meine nicht mehr all zu guten Augen sehen sie. Mäuse! Und wie viele. Eine ganze Familie springt umher. Nicht nur für die Sammlerin ist der Frühling gekommen, auch die Katze, die alte Sphinx, die Schlange, die Jägerin wird dieses Jahr Gelegenheit bekommen ihr Könnten zu beweisen.

Nun aber noch bevor es Mittag ist zu meinem Bärlauch-Sammelplatz gewandert. Denn Bärlauch ist am besten zu verarbeiten wenn der Morgentau noch auf seinen Blättern glänzt, sein Geruch lockt dann schon von weitem. Je mehr Sonne er bekommt umso weniger Intensiv ist er. Ich fülle meinen Beutel und bedanke mich bei den Elfen und Naturgeistchen mit einem Lied, das du bestimmt auch kennst. Es ist die Melodie aus Aschenputtel und die drei Nüsse. Und eben eine solche, lasse ich auch zurück. Eine blaue Zaubernuss, die ich vorher schon vorbereitet hatte.

 

Zurück, an den Feldern vorbei, doch halt. Wer ist denn da schon fast zum blühen bereit? Der Löwenzahn! Ihn lasse ich natürlich nicht links liegen, sondern freue mich auf einen schmackhaften Salat und viele weitere Gerichte die ich mit ihm geniessen werde.

 

Wenn du nun denkst, das wars. Das Frühlingsritual ist „begangen“ worden, dann muss ich dich leider enttäuschen. Es fängt erst an!

 

Nun heisst es die Kräuter zu säubern und sie so vorzubereiten, dass ich in den nächsten Tagen immer wieder davon Gebrauch machen kann. Dass heisst ich muss meine Utensilien die ich dazu brauche wieder ans Licht holen, sie säubern und bereitstellen. Nur wohin? Da steht noch soviel Material vom Winterschlaf herum. Also Platz schaffen! Schnell sind Körbe bereitgestellt und ich verteile jenes in die Körbe, dass ich noch brauche und jenes dass ich der Erde zurückgebe. Jenes das verbrannt werden kann und jenes dass nicht einmal ein Feuer unschädlich machen kann. So erhalte ich schnell einen Überblick über die vielen Sachen, bekomme wieder Platz auf meinen Altären und in meinen Schränken und bin schon wieder voller Ideen für Rituale und Geschenke in diesem Jahr.

 

Tja, das geht dann bis in die Nacht hinein so... und damit ich mich nicht in ein Eichhörnchen verwandle und die Sammelwut ein wenig ablässt von mir. Braue ich mir einen Tee aus Schachtelhalm, giesse die Hälfte davon in die Badewanne mit gesalzenem Wasser und gönne mir vor dem zu Bett gehen ein wenig etwas aus der uralten Zeit der Dinosaurier. Wo keine Bäume, sondern Farne und eben Schachtelhalme so gross wie die heutigen Bäume für Schatten sorgten. Wie wohl in dieser Zeit der Frühling sich bemerkbar machte? Ob es ihn damals wohl schon gab? Denn Blumen gibt es lustiger Weise noch gar nicht solange...

Feuer, Lebenslust, Rituale mit Feuer haben einen ganz besonderen Reiz auf uns.
Ritual der Lebensfreude: der Tanz und das Feiern

natürlich kannst du mir auch direkt ein Mail senden: bet.koch@bluewin.ch

 

hier noch ein Link zu meiner Diplomarbeit zum Thema Märchen:
http://ritualundmaerchen.jimdo.com/